online meeting

Effizienz in Online-Meetings killt Produktivität und Motivation!

Vor einem Jahr ist für viele Arbeitnehmer:Innen, Manager:Innen und Führungskräfte die Anzahl der Online-Meetings sprunghaft angestiegen. Wir sind durch die Pandemie zu etwas „gezwungen“ worden, was in New Work schon lange gefordert wird: ortsunabhängiges, flexibles Arbeiten. Auch wenn der Aspekt der Freiwilligkeit momentan dabei etwas zu kurz kommt, so bieten die technischen Lösungen für Videokonferenzen, digitale Team Workspaces und Lösungen für eine kreative Zusammenarbeit enorme Chancen und Potenziale. Doch trotz dieser vielfältigen Möglichkeiten haben sich bereits Begriffe wie „Zoom Fatigue“, die Erschöpfung und Genervtheit durch zu viele Videokonferenzen, geprägt. So werden nicht nur positive Möglichkeiten negativ belegt; gleichzeitig ist dieses Empfinden nicht gut für die Produktivität, die Qualität und die Motivation. Daraus resultieren unter anderem folgende Fragen: Wollen wir das wirklich? Und: Wie können wir dieser negativen Entwicklung entgegensteuern?

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Impressionen aus einem Jahr im Homeoffice

Immer häufiger berichten mir Teilnehmende in Workshops, dass sie nur noch von einem Meeting ins nächste springen und der tägliche Meeting-Wahnsinn sie ausbrennt.

„Früher konnte ich wenigstens auf dem Weg von einem Meetingraum zum nächsten auf die Toilette gehen oder mir ein Getränk holen. Heute ist das nächste Meeting nur einen Klick entfernt.“,

berichten verschiedene Teilnehmer:Innen. So wird die Zeiteffizienz scheinbar perfektioniert. Da wir  vor unseren Computern sozusagen direkt vor den virtuellen Besprechungsräumen sitzen, brauchen wir keine Wege- und Rüstzeit mehr; eine Besprechung folgt der nächsten. Andere berichten davon, dass sie jetzt teilweise an zwei Besprechungen gleichzeitig teilnehmen, weil es sich nicht anders planen lässt. Andere Teilnehmende beschweren sich darüber, dass jetzt sogar die Mittagspausen verkürzt werden, um sie mit einem weiteren Meeting zu belegen. Und alles wird in dem Begriff Effizienz verpackt.

Der Eindruck, den die überwiegende Zahl der Teilnehmenden schildert, lässt sich wie folgt zusammenfassen: alle verbringen mehr Zeit in mehr Meetings. Gleichzeitig finden viele Mitarbeiter:Innen in der momentanen Homeoffice-Situation nachfolgenden suboptimale Umgebungsbedingungen vor, die sich auf das Thema online Meetings auswirken können:

  • Kein adäquater Arbeitsplatz (Ergonomie, Beleuchtung, Ruhe, etc.)
  • Multitasking (z.B. durch Homeschooling, Kinderbetreuung etc.)

Die Fakten – ein kurzer Check

Einige Untersuchungen haben sich im vergangenen Jahr schon damit beschäftigt, ob wir wirklich mehr Zeit in Meetings verbringen und ob die Zahl der Meetings zugenommen hat.
Schauen wir uns die Ergebnisse einmal an:

Schon im Februar 2020, also vor dem Lockdown in Deutschland (in den USA hatten schon viele Unternehmen die Mitarbeiter:Innen ins Homeoffice geschickt), hat die Studie „The State of Meetings 2020“ von Matt Martin (Clockwise) unter anderem folgenden interessanten Aspekt herausgefunden:

  • ¾ aller befragten Mitarbeiter:innen haben das Gefühl, dass ihr Meeting-Zeitplan immer oder zumindest teilweise außer Kontrolle ist. Die Schuld wird sehr häufig beim Management oder den direkten Vorgesetzten gesehen.
  • Meetings werden als vierthäufigster Grund für Unterbrechungen bei der Arbeit wahrgenommen.

Im April 2020 haben Heather Layne und Giancarlo Cozzi (beide Microsoft) in ihrer Studie „The rise of 30-minute meetings and other ways collaboration is changing“ folgende Resultate veröffentlicht:

  • Mit dem Wechsel ins Homeoffice ist die wöchentliche Meetingzeit sprunghaft um 10 % gestiegen.
  • Im Schnitt haben Mitarbeiter:Innen drei Meetings pro Woche mehr auf dem Plan.
  • Die Anzahl an kurzen Meetings (weniger als 30 Minuten) hat um 22 % zugenommen
  • Gleichzeitig hat die Zahl an langen Meetings (mehr als 1 Stunde) um 11 % abgenommen.

Im September 2020 hat dann die Harvard Business School eine weitere Studie, durchgeführt von Raffaela Sadun, Jeffrey Polzer und anderen, veröffentlicht. In dieser weltweiten Studie wurden mehr als drei Millionen Menschen befragt und die Antworten ausgewertet. Die Ergebnisse sehen wie folgt aus:

  • Mitarbeiter:Innen hatten 13 % mehr Meetings
  • Die Dauer der Meetings ist um 20 % gesunken
  • Abnahme der gesamten Meetingzeit pro Mitarbeiter:In um 12 %
  • Im Schnitt wurden zwei Personen mehr zu jedem Meeting eingeladen

Das Gefühl der Mitarbeiter:Innen, an mehr Meetings teilnehmen zu müssen, wird also durch die Studien belegt. Doch das Empfinden, auch mehr Zeit in Meetings zu verbringen, sowohl in Bezug auf ein einzelnes Meeting wie auch auf die Gesamtzeit, deckt sich nicht mit den Studien. Das heißt jedoch nicht, dass das Empfinden falsch ist. Vielmehr gibt es einen wichtigen Hinweis darauf, dass irgendetwas passiert, was das Empfinden von der Realität abweichen lässt. Das ist definitiv einen Blick wert!

Was ist denn nun wirklich das Problem?

Die Zunahme an der Anzahl an Meetings bedeutet für jede einzelne Person auch eine Zunahme an Task Switching, einer Kategorie des Multitasking. Task Switching bedeutet, dass wir von einer zur nächsten Aufgabe springen, ohne die vorherige beendet / abgeschlossen zu haben. Wir springen ständig zu neuen Themen und Aufgaben. Das ist Stress pur für unser Gehirn! Durch die scheinbar effiziente Zeitplanung und Taktung der Meetings entfallen in vielen Unternehmen die Pausen zwischen den Meetings. Nicht selten höre ich Mitarbeiter:Innen in unseren Workshops darüber diskutieren, dass sie teilweise vier bis fünf Meetings hintereinander haben. Während wir vor dem Lockdown die Zeit von einem Meetingraum zum anderen zum Umschalten und gedanklichen Sammeln nutzen konnten, so fällt dies im Online-Modus einfach weg. Dadurch wird das Gefühl, so viel mehr Zeit in Meetings zu verbringen, verstärkt. Das Empfinden, ausgelaugt oder gar ausgebrannt 

home office meeting

zu sein, wächst, denn: Jedes Meeting erzeugt in der Regel neue Aufgaben, die irgendwann abgearbeitet werden müssen. Ein Mehr an Aufgaben bei gefühlt weniger Zeit, ist definitiv kontraproduktiv für das Wohlbefinden.

Kommen dazu dann noch die suboptimalen Umgebungsfaktoren hinzu, die beispielsweise Rücken- oder Kopfschmerzen vom vielen Sitzen und der mangelnden Bewegung verursachen, oder die Multitasking-Herausforderungen von Homeschooling, so werden online Meetings eine echte Belastung für die Mitarbeiter:Innen.

Die negative Auswirkung von Effizienz im Zeitmanagement 

Starten wir hier gleich einmal mit einem Paukenschlag: Es ist schon lange bekannt, dass Task Switching einen hohen Produktivitätsverlust bedeuten kann – und zwar bis zu 40 % unserer so wertvollen Arbeitszeit! Diese Zahl ist schon Grund genug dafür, dass es wenig Sinn ergibt, Meetings naht- und pausenlos aneinander zu reihen.

Haben wir keine ausreichenden Pausen zwischen den einzelnen Meetings, fehlt uns die Zeit für die Vorbereitung auf das Meeting. Klar, natürlich kann ich mich vielleicht auf zwei Meetings vorbereiten. Dennoch muss ich mich nach dem ersten Meeting wieder erst in die Vorbereitung für das zweite Meeting reindenken. Das geht aber nur mit einer Pause dazwischen. Bei mehr als zwei Meetings am Stück wird das so richtig schwierig.

Nicht mal schnell zwischen zwei Meetings auf die Toilette gehen zu können, ist einfach unfassbar. Schlimmer noch, wenn ich mich dann gegebenenfalls auch noch dafür entschuldigen muss, weil ich zu spät zum nächsten Meeting erscheine.

Auch die Zeit für Bewegung, Essen und eine Getränkepause ist für unsere Leistungsfähigkeit – körperlich wie geistig – wichtig. Neueste Erkenntnisse aus dem Bereich der Neurowissenschaften (Neuroscience) belegen, dass unser Gehirn regelmäßig Wasser, Nährstoffe und körperliche Bewegung benötigt, um folgende wichtige Funktionen ausführen zu können:

  • Lösungen finden
  • Denken
  • Aufmerksam sein
  • Entscheidungen treffen
  • Erinnern
  • Lernen
  • Logisches Schlussfolgern

Diese Funktionen unseres Gehirns sind allesamt wichtig in unseren Meetings und unserer täglichen Arbeit.

Die Studie „Extraneous Factors in Judical Decisions“ von Shai Danziger, Jonathan Levav und Liora Avnaim-Pesso belegt, dass die Urteile und Entscheidungen von Richter:Innen sexistischer, rassistischer und weniger am Recht orientiert waren, wenn die letzte Mahlzeit länger als zwei Stunden her gewesen ist. Das liegt daran, dass unser Gehirn einerseits ein großer Verbraucher an Energie ist, anderseits selber aber kaum Energie speichern kann.

In dem Moment, wo wir Durst empfinden, ist das Gehirn schon zu mehr als 3 % dehydriert. Allerdings hat schon eine Dehydration von 1 bis 3 % massive Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns in Bezug auf Fokus, Aufmerksamkeit und Erinnerungsvermögen (Dr. Tara Swart 2017, MIT).

Bewegung führt unter anderem zu einem besseren und tieferen Durchatmen. Auch dieser somit zugeführte Sauerstoff ist notwendig für ein hochleistungsfähiges Gehirn.

Ein Anstieg an Stress und das Absinken der Motivation sind weitere Folgen. Sie führen zu einem Mangel an Konzentration, worunter ganz enorm die Qualität unserer Meetings und unserer Entscheidungen leiden wird. Qualitativ schlechte Meetings werden als Zeitverschwendung empfunden; sie nerven und stressen noch mehr. Die Abwärtsspirale nimmt ihren Lauf. Und das hat Auswirkungen auf den weiteren Arbeitsalltag.

Effizienz – eine Frage der Zielsetzung

Für ein besseres, gemeinsames Verständnis folgt hier eine kurze Definition:

Effizienz: Die Dinge richtig tun!

Eine Frage ist: Was sind „die Dinge“, die wir richtig tun wollen? Wollen wir die Zeit, die zur Verfügung steht, richtig und optimal nutzen?

Daran schließt sich eine zweite Frage an: Was bedeutet es, die Zeit richtig zu nutzen? Heißt „richtig“, möglichst viele Besprechungen in der begrenzten Ressource Zeit unterzubringen. Oder heißt „richtig“, eine möglichst große und positive Wirkung mit unseren Meetings zu erzeugen? Hier befinden wir uns also in der Unterscheidung zwischen

Output vs. Outcome.

Wenn wir auf den Outcome von Meetings abzielen und mit ihnen eine hohe Wirksamkeit erzeugen wollen, dann ist das beschriebene Meeting-Verhalten ein absoluter Killer – das allerdings aber sehr effizient.

Für eine bessere online Meeting Zukunft!

Meetings spielen in der agilen Welt und besonders auch im verteilten Arbeiten eine große Rolle und sind extrem wichtig für unseren gemeinsamen Erfolg! Doch geht es bei der Verbesserung der Meetingkultur in den meisten Unternehmen nicht um die Quantität der Meetings, sondern vielmehr um die Qualität. Wir sollten also unser Verhalten in Bezug auf Meetings überdenken und gegebenenfalls anpassen. Es ist sinnvoll, eine Meetingkultur unternehmensweit zu etablieren, die sowohl die psychischen als auch die physischen Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt. Nur so schaffen wir ein Umfeld, in dem wir auch als verteilte Teams / Organisation zu mentalen Höchstleistungen fähig sind.

Nachfolgend findest du erste Tipps für eine stressfreiere und Outcome-fokussierte Meetingkultur:

  • du willst ein Meeting ansetzen? Frag dich immer,
    • ob das Meeting wirklich nötig ist
    • ob es einen anderen, wirkungsvolleren Kommunikationsweg für das Thema gibt
    • was mit dem Meeting erreicht werden soll
    • wer wertvoll für das Meeting ist (kann thematisch etwas beisteuern, kann Entscheidungen treffen etc.)
  • Respektiere deine Zeit und die der anderen!

Meetings so kurz wie möglich, so lang wie nötig halten. Und wenn ihr vor der Zeit fertig seid, dann ist das okay! Entweder nutzen die Teilnehmenden die Zeit für Small Talk oder für die Vorbereitung des nächsten Meetings – kein Zwang, alles freiwillig!

  • Plane bewusst Pausen zwischen den Meetings ein!

Einige Unternehmen haben Pausen zwischen den Meetings als Default-Einstellung in den Planungstools gesetzt. So können ehemalige 30-Minuten Meetings nur als 25 Minuten Meetings und ehemalige einstündige Meetings nur als 50 Minuten Meetings geplant werden.

  • Respektiere die Pausen zwischen den Meetings und fordere sie auch ein!
  • Lade nicht mehr Personen ein, nur weil das Meeting online ist!
  • Sag auch mal qualifiziert Nein!

Wenn dein Meetingkalender dich stresst, keine Pausen da sind und du nicht weißt, wann du deine Arbeit machen sollst, ist ein Nein längst überfällig!

  • Eine klare Agenda mit (rechtzeitig) verteilten Aufgaben und einem klar formulierten Meetingziel helfen den Teilnehmenden, sich zielgerichtet vorzubereiten.
  • Menschen sind keine Maschinen! Plane Zeit für Small Talk in deiner Agenda ein und mache das auch transparent.

Dann können die Teilnehmenden entscheiden, ob sie am Small Talk teilnehmen wollen oder nicht. Doch eines ist unumstritten: Der Small Talk ist wichtig für die Zusammenarbeit und das Netzwerken. Small Talk macht Meetings menschlich!

  • Gestalte deine Meetings kreativ und abwechslungsreich!
  • Icebreaker-Übungen können am Anfang eines Meetings den Teilnehmenden die Zeit geben, im Meeting mental anzukommen!
  • Einigt euch im Unternehmen / im Team auf Meeting-freie Zeiten!

Diese Zeiten werden respektiert und können für fokussiertes Arbeiten genutzt werden.

  • Berücksichtigt die besonderen, suboptimalen Umgebungsfaktoren der Mitarbeiter:Innen.

Je mehr von diesen Tipps Einzug in die Arbeitswelt finden, desto stärker können wir unsere Meetingkultur verbessern. Am besten funktioniert das natürlich, wenn jede:r von uns auch die Verantwortung dafür übernimmt, auf diese Dinge zu achten und anzusprechen, wenn kontraproduktives Verhalten identifiziert wird. So können wir gemeinsam die tollen Möglichkeiten, die uns das verteilte Arbeiten bietet, sinnvoll und stressfrei nutzen.

Ein wichtiges Thema für unsere Zukunft:
Wir von getNext IT sind absolute Verfechter von New Work und ortsunabhängigem, verteilten Arbeiten. Daher brauchen wir deine Hilfe. Wir möchten gerne unsere eigene Umfrage zu dem Thema „Meetings: wie hat sich das Meetingverhalten mit dem Einzug ins Homeoffice verändert?“ starten, um daraus Informationen zu generieren. Dazu bitten wir dich um fünf Minuten deiner kostbaren Zeit, in der du unsere Fragen beantwortest. Die Ergebnisse werden wir später hier auf unserer Webseite veröffentlichen.

Hier geht es zur Umfrage zum Thema „Meetings: wie hat sich das Meetingverhalten mit dem Einzug ins Homeoffice verändert?“

Signature Sabine Wojcieszak